Eine Analyse der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung in 858 europäischen Städten zeigt, dass nationale und lokale Regierungen immer noch nicht genug für die Verringerung der Luftverschmutzung unternehmen. Dabei würde eine merkbare Reduktion von Partikeln wie beispielsweise Feinstaub und Stickstoffdioxid – wie sie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt – alleine in Europa jährlich 51.213 vorzeitige Todesfälle verhindern.
Ein Forschungsteam um Mark Nieuwenhuijsen von der Stadtplanungs-, Umwelt- und Gesundheitsinitiative ISGlobal stellte für eine im Jänner 2021 im Fachmagazin „Lancet Planetary Health“ veröffentlichte Studie Modellrechnungen zur Luftverschmutzung ausgewählter europäischer Städte an und wertete diese im Hinblick auf die Sterbefall-Statistiken aus. Die Feinstaubbelastung (PM2,5) lag in 84 % der untersuchten Städte und die Stickstoffdioxid-Belastung (NO2) in 9 % der Städte über den WHO-Empfehlungen. Anhand dieser Berechnungen erstellten die Wissenschaftler eine Rangliste.
Auswirkung von Luftverschmutzung auf die Gesundheit
Verunreinigte Luft kann nahezu jedes Organ im Körper schädigen, denn sie dringt in den Blutkreislauf ein und ist in der Lage, dadurch Entzündungen zu verursachen. Es mehren sich zunehmend Hinweise, dass die Luftverschmutzung mit Atemwegsproblemen, Herzerkrankungen, Krebs, Demenz, Fruchtbarkeitsproblemen und verminderter kognitiver Funktion zusammenhängt. Darüber hinaus können sogenannte „peaks“ (Spitzen) der Luftverschmutzung die Symptome von Menschen mit Asthma oder einem Risiko von Herzinfarkten oder Schlaganfällen verschlimmern.
Ist die Luftverschmutzung von Dauer, erhöht sich auch das Risiko für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Besonders besorgniserregend ist, dass einer starken Luftverschmutzung ausgesetzte Kinder eine langsamere kognitive Entwicklung aufweisen. Doch auch auf die kognitiven Fähigkeiten von Erwachsenen wirkt sich eine starke Exposition gegenüber verschmutzter Luft negativ aus. Erschreckend ist zudem, dass eine hohe Luftverschmutzung das Frühgeburtsrisiko und ein geringeres Geburtsgewichts fördert.
Die als Feinstaub (PM2,5) bezeichnete Staubfraktion enthält 50 % der Teilchen mit einem Durchmesser von 2,5 µm, einen höheren Anteil kleinerer Teilchen und einen niedrigeren Anteil größerer Teilchen.
Umweltbundesamt
Stickstoffdioxid (NO2) entsteht überwiegend als unerwünschtes Nebenprodukt bei der Verbrennung von Brenn- und Treibstoffen bei hoher Temperatur. Der mit Abstand größte Verursacher ist der Verkehr. Für den Menschen besonders schädlich ist NO2, da es die Lungenfunktion beeinträchtigt
Städte mit der höchsten Sterblichkeit aufgrund der Verschmutzung durch PM2,5
- Brescia (Italien)
- Bergamo (Italien)
- Karviná (Tschechische Republik)
- Vicenza (Italien)
- Metropolitan Union of Upper Silesia (Polen)
- Ostrava (Tschechische Republik)
- Jastrzebie-Zdrój (Polen)
- Saronno (Italien)
- Rybnik (Polen)
- Havírov (Tschechische Republik)
Städte mit der höchsten Sterblichkeit aufgrund der Verschmutzung durch NO2
- Madrid (Metropolregion) (Spanien)
- Antwerpen, Belgien)
- Turin (Italien)
- Paris (Metropolregion) (Frankreich)
- Mailand (Metropolregion) (Italien)
- Barcelona (Metropolregion) (Spanien)
- Mollet del Vallès (Spanien)
- Brüssel, Belgien)
- Herne (Deutschland)
- Argenteuil – Bezons (Frankreich)
Städte mit der niedrigen Sterblichkeit aufgrund der Verschmutzung durch PM2,5
- Reykjavik (Island)
- Tromso (Norwegen)
- Umea (Schweden)
- Oulu (Finnland)
- Jyvaskyla (Finnland)
- Uppsala (Schweden)
- Trondheim (Norwegen)
- Lahti (Finnland)
- Örebro (Schweden)
- Tampere (Finnland)
Städte mit der niedrigsten Sterblichkeit aufgrund der Verschmutzung durch NO2
- Tromso (Norwegen)
- Umea (Schweden)
- Oulu (Finnland)
- Kristiansand (Norwegen)
- Pula (Kroatien)
- Linkoping (Schweden)
- Galway (Irland)
- Jonkiping (Schweden)
- Alytus (Litauen)
- Trondheim (Norwegen)
Ranking österreichischer Städte
Mortalität (Sterblichkeit) | Stadt | Jahresmittel Feinstaub der Kategorie PM2.5 | vermeidbare Todesfälle unter Beachtung der WHO-Grenzwerte | vermeidbare Todesfälle unter Beachtung der niedrigsten Levels unter allen 858 Städten |
208 | Wien | 14,60 | 473 | 1.095 |
339 | LINZ | 13,60 | 42 | 113 |
352 | GRAZ | 13,80 | 59 | 152 |
361 | KLAGENFURT | 13,40 | 21 | 59 |
451 | INNSBRUCK | 13,40 | 21 | 58 |
562 | SALZBURG | 12,70 | 21 | 68 |
Der Grenzwert für Feinstaub der Kategorie PM2.5 liegt laut den Empfehlungen der WHO im Jahresmittel bei durchschnittlich 10 µg/m3, jener für Stickstoffdioxid bei 40 µg/m3.
Luftverschmutzung bekämpfen rettet Leben
Nieuwenhuijsen und seine Kollegen berechneten, dass durch die Einhaltung der WHO-Grenzwerte in den europäischen Städten jährlich 51.213 vorzeitige Todesfälle verhindert werden könnten. Würden alle europäischen Städte die Luftverschmutzung im gleichen Ausmaß verringern wie die am wenigsten belasteten der 858 Städte, könnten jährlich beinahe 125.000 vorzeitige Todesfälle verhindert werden.
Die Studie beweist, dass viele Städte immer noch nicht genug für die Verringerung der Luftverschmutzung tun.
Mark Nieuwenhuijsen
Weitere Informationen
ISGlobal Ranking of Cities-Projekts