5 Fragen 5 Antworten: Ausgewogene Ernährung für Menschen mit Diabetes

Im Interview: Olympiasieger Matthias und Inge Steiner

Was ist so tückisch an Typ-2-Diabetes?

Matthias Steiner: Das Problem ist, dass keine Schmerzen da sind. Ab einem gewissen Alter bemerkt man, dass man nicht mehr so beweglich ist, aber es kommt kein Schmerz dazu – man wird lethargischer. Das ist die große Gefahr bei Diabetes. Bei Herzinfarkt macht es einmal „bumm zack“, man liegt im Krankenhaus und merkt, man sollt’ etwas ändern.

Inge Steiner: Gerade wenn man die Diagnose Diabetes Typ 2-Diabetes bekommt und der Arzt sagt, dass man den Lebensstil ändern muss, ist das vorerst ein Schreck. Man denkt, man muss auf alles verzichten. Ich glaube, die größte Hürde, seinen Lebensstil zu ändern, sind dann die Medikamente. Sie werden gleich genommen – und die Lebensumstellung wird auf später verschoben. Aber es ist nicht so eine große Hürde, seinen Lebensstil zu ändern. Wir wissen das von vielen Typ-2-Diabetikern, mit denen wir zusammengearbeitet haben, dass sie sich die Ernährungsumstellung viel schwieriger vorgestellt haben. Wenn man sich aber auf drei Monate oder ein halbes Jahr Zeit lässt und wirklich nach und nach gewisse Gewohnheiten weglässt, das dankt der Körper trotzde – wenn es auch erstmal kleine Schritte sind. Wenn man übergewichtig ist, muss man auch nicht gleich ins Fitnessstudio gehen. Es reicht auch am Anfang ein Spaziergang, der mit der Zeit immer länger werden kann. Irgendwann kommt die Routine, und dann braucht man das auch – und dann geht es von ganz alleine. Da haben wir viele schöne Beispiele, dass Leute 30, 40 kg verloren haben und Lebensfreude zurückgewonnen haben und Sportarten wieder betreiben, die sie als Kinder oder Jugendliche betrieben haben. Das hätten sie sich nie wieder vorstellen können. Heute sind sie glücklich, diesen Weg gegangen zu sein, weil die Angst war natürlich groß, es nicht zu schaffen. Aber es gibt so viele Literatur, Selbsthilfegruppen oder Ärzte, die einem dabei helfen können. Man kann es schaffen.

„Ich möchte den Menschen die Angst vor einer Lebensumstellung nehmen. Es ist keine grosse Umstellung, es sind nur kleine Rädchen, an denen man drehen muss.“

Matthias Steiner

Ist Überwicht immer ungesund?

Matthias Steiner: Es gibt auch Menschen, die etwas dicklicher sind, aber gesundes Fett haben, sich viel bewegen und sich gesund ernähren. Es heißt jetzt nicht, wenn jemand leicht übergewichtig ist, dass er sofort krank ist und sich schlecht ernährt und der Schlanke vermeintlich gesund ist. Auch er kann Bauchfett haben, das man gar nicht sieht. Das ist die Gefahr dabei. Es geht um das Wohlfühlen. Wie sind die Werte und wie fühle ich mich wirklich nach dem Essen? Ich glaube, man merkt den Unterschied. Burger und Pizza kann schon einmal gut schmecken, ist aber dauerhaft nicht gut.

Was muss ich wissen, damit ich mich gesund ernähren kann?

Matthias Steiner: Das wichtigste ist, zu wissen, was die drei Säulen – Fett, Eiweiß und Kohlenhydrate – im Körper bewirken. Denn daraus bestehen letztendlich die Lebensmittel. Wenn ich weiß, dass Kohlenhydrate durch die hohe Insulinausschüttung die Fettverbrennung stoppen, dass es bei Fetten Unterschiede gibt und dass Eiweiß ganz gut wäre, aber nicht immer in Kombination mit anderen Dingen usw.. Wenn ich das verstanden habe, und das ist relativ simpel, dann kann ich das super im Alltag integrieren. Wenn man sich nicht damit beschäftigen will, rächt sich das später so oder so. Schlechte Ernährung und zu wenig Bewegung rächt sich.

Ich brauche das Basiswissen: Wie ist man Ist-Zustand? Was mache ich? Wie viel bewege ich mich bzw. wie wenig? Was esse ich? Dazu kommt das Basiswissen, was ich ändern kann. Zum Beispiel, wie ich diese drei Säulen einsetzen kann und welche kleinen Rädchen ich im Alltag umsetzen kann. Dann kommt es darauf an, auf was kann ich im Alltag am ehesten verzichten, dann geht das relativ einfach. Jeder hat einen anderen Alltag und muss das für sich selbst herausfinden.

Ist Ihnen die Ernährungsumstellung leicht gefallen, Herr Steiner?

Matthias Steiner: Wie bei mir der Typ 1-Diabetiker diagnostiziert wurde, war ich schlank und hatte wenig Körperfett. Da musste ich damals schon Diät halten und Gewicht heben in Kombination mit Diabetes. Dann habe ich die Gewichtsklasse gewechselt und musste 40 kg zunehmen, was gar nicht so schwer war, weil ich schon wusste, wie es geht – mit viel Kohlenhydraten und Shakes trinken. Das Abnehmen war dann noch mal leichter, weil ich nicht mehr 8.000 Kalorien täglich essen musste, sondern nur mehr zwischen 2.000 bis 3.000. Das war sehr angenehm.

Aber ich habe festgestellt, es ist vieles gelernt. Ich habe mir z.B. in der Superschwergewichtsklasse angewöhnt, sehr schnell und viel Süßes zu essen. Beim Süßen, wenn man das mal im Kopf hat, das bleibt einem erstmal diese Abhängigkeit. Aber Geschmack kann man trainieren. Deswegen finde ich so Radikaldiäten schwer. Ich arbeite mich lieber sukzessive vor, z.B. statt drei Zuckerstücke nur noch zwei und dann nur noch einen in den Kaffe und irgendwann kann man ganz darauf verzichten. Deswegen sind für mich Light-Produkte keine Alternative. Man erhält sich dabei das Süße, weil es genauso schmeckt, wie die Produkte mit Zucker. Wichtiger ist langsam davon wegzukommen. Ich möchte den Menschen die Angst nehmen, dass es eine große Umstellung ist. Es sind nur kleine Rädchen an denen man drehen muss.

Welche Rolle Spielt Bewegung?

Matthias Steiner: Aus meiner Diabetes-Erfahrung halte ich noch viel von Bewegung. Weil ich sehe, wie sich der Blutzuckerspiegel durch Bewegung verändert. Ich kann durch Bewegung wieder viel ausgleichen. Das hat sich auch bestätigt: Leute die oft sehr, sehr alt geworden sind und rüstig sind, haben sich ihr Leben lang bewegt. Das muss nicht Leistungssport sein. Aber wenn wir sehen, dass Leute heute für 500 Meter oder einen Kilometer ins Auto steigen, um eine Kleinigkeit zu holen, dann ist es schon fünf nach zwölf.

Inge Steiner: Durch Bewegung entstehen Muskeln – und Muskeln brauchen mehr Energie für die Verbrennung. Das ist die Crux: Je weniger ich mich bewege, desto weniger Muskeln habe ich und umso weniger Energie bräuchte mein Körper. Ich habe dann immer einen Überschuss an Energie. Es sind aber keine Muskeln da, um diese zu verbrauchen, dann geht es eben an die Hüfte. Wenn wir jung sind, bewegen wir uns viel, das ist wird mit der Zeit dann immer weniger. Doch ab 30 beginnt der Körper, Muskulatur abzubauen. Da sollte man sich mindestens schon drei Stunden in der Woche bewegen, mit 40 dann vier Stunden usw.. Man müsste sich im Alter immer mehr bewegen. Das wird leider immer weniger – und dafür wird mehr gegessen. Aber im Alter brauchen wir nicht mehr so viele Kalorien. Da kommt es zu dieser Dysbalance. Deswegen mehr bewegen, weniger essen, dann kommt man wieder in die Linie.

Matthias Steiner: Du musst wirklich herausfinden, was Spaß macht. Der eine geht gerne joggen, der andere Rad fahren. Bewegung erhellt immer die Psyche, wir brauchen nur das richtige Benzin für unseren Motor. Auch wenn ich mit meinem Prinzip vielleicht nicht 110 Jahr alt werde. Aber wenn ich 80 wäre, wäre es doch sinnvoller, die letzten 10 oder 20 Jahre auch noch eine Lebensqualität zu haben, statt im Rollstuhl zu sitzen oder viele Medikamente zu brauchen. Es geht nicht um unbedingt Lebensverlängerung, sondern Lebensqualität.

 

Sieh auch: “Low Carb – eine Portion gesundes Abnehmen”

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